LEO-Kolumne im August und September: Besserwisser | Weiden24

06.08.2024
LEO-Redakteurin Julia Hammer mag keine Besserwisser. Doch ist sie nicht selbst auch einer? (Bild: Sara Neidhardt)
LEO-Redakteurin Julia Hammer mag keine Besserwisser. Doch ist sie nicht selbst auch einer? (Bild: Sara Neidhardt)
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LEO-Redakteurin Julia Hammer mag keine Besserwisser. Doch ist sie nicht selbst auch einer? (Bild: Sara Neidhardt)

LEO-Kolumne im August und September: Besserwisser

LEO-Autorin Julia Hammer liebt sie: Besserwisser. Ist es nicht eine Freude, diese belehrende Art? Das Gefühl der Überlegenheit, das sie einem mit jedem Satz entgegenknallen?

Ein faszinierendes Phänomen … dieser Drang der unbeirrten Meinungsäußerung des Klugscheißers, der in ihm aufsteigt wie Wasser in einem übersprudelnden Topf. So wenig ich diese Eigenschaft auch mag, muss ich eingestehen, dass auch ich in dem einen oder anderen Bereich ein kleiner Besserwisser bin.

Ob im Büro, im Freundeskreis oder innerhalb der Familie, Besserwisser sind omnipräsent und stellen für viele von uns eine besondere Herausforderung dar. Stellen wir uns ein typisches Szenario vor, wie ich es vor einigen Tagen erlebt habe: Am Nachbartisch in einem Restaurant ist eine Gruppe von Leuten, die gerade ihre Bestellung aufgibt: einen Burger mit Pommes, ein Sandwich, einen Wrap und einen Salat. So weit, so gut. Bis die Frau mit der Salatbestellung sagt: „Puh, ihr seid heute aber wieder alles andere als Low Carb unterwegs. Wisst ihr, was ihr eurem Körper damit antut?“ Der Vortrag dauerte gute fünf Minuten. Und die Stimmung am Nachbartisch? Schlagartig zehn Grad kälter. Ein anderes Beispiel. Ich habe mit einem Freund über die Politik in den USA diskutiert – die möglichen Auswirkungen einer Trump-Wahl und die NATO. Als ich von 31 Mitgliedsstaaten sprach, setzte plötzlich sein Klugscheißer ein. „32! Es sind 32! Seit 2024 ist Schweden dabei. Hast du das nicht mitbekommen? Das musst du doch irgendwo gelesen haben.“ Auch diese Information entwickelte sich zu einem zehnminütigen Monolog, um den ich nicht gebeten hatte. Ich könnte Seiten mit Beispielen füllen: Leute, die einen mit einem selbstgefälligen Grinsen vor anderen darauf hinweisen, wenn man einen Namen falsch ausspricht. Solche, die im Kino nicht müde werden, Handlungsstränge und scheinbare „Denkfehler des Regisseurs“ lautstark kundzugeben. Moralische Besserwisser, die jedes Verhalten analysieren und kritisieren. Anstrengend.

Unter psychologischen Gesichtspunkten zeichnen sich Besserwisser durch ein hohes Maß an Selbstbewusstsein aus, gepaart mit einer oft unerschütterlichen Überzeugung von der eigenen intellektuellen Überlegenheit. Die Motivation? Vielfältig: der Wunsch nach Anerkennung, ein starkes Ego oder die Freude daran, andere zu belehren. Das Ergebnis ist meist dasselbe – eine angespannte Gesprächssituation, in der sich alle Anwesenden oft frustriert und entwertet fühlen. Allerdings muss ich zugeben, dass es zwei Bereiche gibt, in denen auch ich zum Klugscheißer mutiere. Ich bin ein großer Filmliebhaber. Schon mein Leben lang fasziniert mich die Art, wie sie inszeniert und produziert werden. Schaue ich einen Film, google ich parallel nach den Schauspielern und lese mich in ihre Filmographie ein. Ja, man kann sagen, ich habe sehr viel – vermutlich sehr unnützes – Filmwissen. Vor kurzem hat mir eine Freundin erzählt, dass sie „Es“ gesehen hat. Eine gute Wahl, nebenbei bemerkt. „Der Clown Piney war schlimm, aber Bradley Cooper fand ich toll in einer der Hauptrollen.“ Ich hole tief Luft und denke mir: Lass es gut sein. Ihr hat der Film gefallen, das ist doch schön. Im nächsten Moment setze ich an: „Der Clown heißt Pennywise. Und Bradley Cooper spielt in diesem Stephen-King-Klassiker nicht mit. Du meinst James McAvoy. Der spielt auch in ,Der letzte König von Schottland’ und ,X-Men’ mit. Übrigens ein schottischer Schauspieler … “ Während ich rede, nerve ich mich selbst, aber ich musste das klarstellen.

Anderes Thema, nicht weniger anstrengend für mein Umfeld: Grammatik. Ich liebe Sprache. Was aber meinen Puls in die Höhe treibt? Das Wort „einzigste“. Nein, das Wort gibt es nicht, es heißt „einzige“. So sehr ich mich bemühe, ich kann nicht anders als jeden, der es falsch sagt, zu verbessern. Ähnlich ist es mit den drei Punkten. Es gibt solche, die man an das Wort anhängt, wenn sie einen Teil des Wortes ersetzen, beliebt bei Schimpfwörtern wie A… – und es gibt solche, die einen Satzteil ersetzen. Dann macht man ein Leerzeichen zwischen dem Wort und den Punkten. Eine absolute Kleinigkeit, ich weiß. Aber es macht mich wahnsinnig, wenn ich es falsch sehe – und ich schaffe es nicht, dann meinen Mund zu halten.

Vermutlich steckt in jedem von uns ein kleiner Klugscheißer. Vielleicht ist das gar nicht so schlimm und es geht vielmehr um die Art, wie man Fehler – oder scheinbare Fehler – anspricht. Wenn ich ehrlich bin, werde ich gerne darauf hingewiesen, wenn ich etwas falsch mache, um an mir zu arbeiten – solange es keine überlegene Belehrung ist. Und an alle Vollzeit-Besserwisser: Niemand ist allwissend. Es ist nicht notwendig, bei jeder Gelegenheit sein scheinbares Wissen zu demonstrieren. Manchmal ist es auch besser zu wissen, wann es Zeit ist, einfach zuzuhören und zu schweigen.

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